Nachruf für Werner Schulz (1950-2022)

Im Alter von 72 Jahren verstarb gestern der Bürgerrechtler und Politiker Werner Schulz bei einem Symposium zum Thema „Wie erinnern wir den 9. November“ im Schloss Bellevue. In Zwickau geboren, gehörte er seit 1968 verschiedenen Oppositionsgruppen der Friedens-, Ökologie- und Menschenrechtsbewegung in der DDR an und war im September 1989 Mitbegründer der Bürgerbewegung Neues Forum. Als dessen Vertreter saß er am Zentralen Runden Tisch und war Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 gehörte Werner Schulz für Bündnis 90/Die Grünen dem Deutschen Bundestag und von 2009 bis 2014 dem Europaparlament an.

Es war vor allem der Prager Frühling 1968, der ihn kurz vor dem Beginn seines Studiums politisierte. Im Pankower Friedenskreis engagierte er sich in den 1980er Jahren für friedenspolitische Ziele mit dem Grundmotiv „Keine Gewalt“, das ihn auch später prägte, als er sich mit Fragen von rechtsextremistischer und struktureller Gewalt in der Gesellschaft beschäftigte.

„Keine Gewalt“ – wäre auch heute in unserer Gesellschaft eine wichtige Aufgabe, so seine Haltung. Ihn beschäftigte, wie man gewaltlos miteinander leben könne vor dem Hintergrund verschiedener Kulturen und Lebensansprüche. Seit vielen Jahren unterstützte er die russische Opposition in ihren Bemühungen um Demokratie und Meinungsfreiheit und warnte vor den zunehmenden totalitären Tendenzen in Russland.

In seiner Rede zur Verabschiedung von Ulrike Poppe, der ersten Aufarbeitungsbeauftragten des Landes Brandenburg, und meiner Einführung als ihre Nachfolgerin am 19. September 2017, betonte er die Bedeutung der Aufarbeitung von politischem Unrechtsgeschehen und machte deutlich, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit eine Demokratie belebende Wirkung entfaltet. Er endete mit der Aufforderung: „Gerade in Zeiten, in denen aus Bürgermündigkeit Bürgermüdigkeit und aus Politikverdrossenheit Politikverachtung geworden ist, sollten wir den Wutbürgern entgegenhalten woher wir kommen, was wir erreicht und überwunden haben. Damit nicht Hass und Intoleranz – die Wesensmerkmale jeglicher Gesinnungsdiktatur – alles niederbrüllen und womöglich wieder viel kaputt machen.“

Am 9. November, dem Tag, an dem wir daran erinnern, was wir erreicht und überwunden haben, verloren wir Werner Schulz als wichtigen Weggefährten und als unabhängige Stimme im politischen Raum.

Wir trauern mit seiner Familie und seinen Freunden.

Dr. Maria Nooke

Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur