Die Revolutionen 1989/90 in Ost- und Ostmitteleuropa bilden eine Epochenzäsur. Innerhalb kürzester Zeit wurden nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft und der Einführung freiheitlich-demokratischer Grundordnungen die alten Verfassungen, Strukturen und Institutionen in den Staaten des aufgelösten sowjetischen Machtbereichs abgeschafft, verändert und neu gebildet. Gleichzeitig wurden die bestehenden Sinnhorizonte, Wert- und Moralvorstellungen infrage gestellt und durch andere ersetzt.
Der friedliche Verlauf, der Mauerfall und die Deutsche Einheit prägten dabei auf besondere Weise die ostdeutschen Ereignisse. Viele Brandenburgerinnen und Brandenburger waren daran beteiligt und haben den Systemwechsel durch ihr mutiges Eintreten erstritten. Glück und freudige Erwartung beherrschten die Stimmung. Ideen, Utopien und Gesellschaftskonzepte wurden verhandelt. Doch schon bald zeigte sich, wie radikal und schmerzlich sich der Gesellschaftsumbruch vollziehen würde. Etablierte Arbeits- und Lebensweisen gerieten für viele Menschen ins Wanken oder brachen zusammen, ohne dass sich sogleich Alternativen oder Neuanfänge auftaten. Diese Entwicklung erzeugte nicht nur Zustimmung, sondern auch vielfache Enttäuschungen.
Das alles liegt nunmehr 35 Jahre zurück. Doch die damals angestoßenen Veränderungen wirken bis in unsere Gegenwart. Die erinnerten Erfahrungen von damals prägen den politischen Diskurs und das familiäre Gedächtnis heute. Spätere Frustrationen haben die Gefühle und Hoffnungen der Anfangszeit oftmals zugedeckt. Insofern ist es notwendig, die Jahre der Transformation – immer auch im Kontext der davorliegenden Diktaturerfahrungen – umfassend aufzuarbeiten.
Angesichts aktueller Debatten über Gefährdungslagen unserer Demokratie ist zudem zu erkunden, welche Demokratie- und staatsbürgerlichen Vorstellungen, welche demokratische Erfahrungs- und Erwartungswelten Menschen aus der DDR, aber auch aus der alten Bundesrepublik mitbrachten und wie diese miteinander verhandelt wurden und werden. Unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen müssen hier ihren Platz finden, damit es erstens gelingt, die Teilungs-, Einheits- und Transformationsgeschichte als Teil einer gesamtdeutschen Geschichte zu verstehen und zweitens herauszuarbeiten, welche herausragende Bedeutung der Friedlichen Revolution in der deutschen Demokratiegeschichte zukommt und was die Menschen daraus für die Gestaltung ihrer Zukunft mitnehmen können.
Die Brandenburgische Aufarbeitungsbeauftragte wird sich mit ihrem Veranstaltungs-, Bildungs- und Forschungsprogramm in den Jahren 2024 und 2025 diesen Themen verstärkt zuwenden.
Ausschnitt aus dem Veranstaltungsprogramm:
- Januar 2024 – „Die DDR war eigentlich ganz o.k. bloß keine Demokratie“ Kontroverse Geschichte(n) aufdecken und reflektieren können – Fortbildung für Referendarinnen und Referendare, Studienseminar Potsdam
- Februar 2024 – „Umstrittene Umbrüche. Das Ende der SED-Diktatur und die Transformationszeit in Brandenburg“ – Buchvorstellung und Gespräch, in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung und dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
- 21. März 2024 – „Umstrittene Umbrüche. Das Ende der SED-Diktatur und die Transformationszeit in Brandenburg“ – Buchvorstellung und Gespräch, Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ im Rahmen der Leipziger Buchmesse und „Leipzig liest“
- Sommersemester 2024 – „Von der Revolution zur Transformation: Systemwechsel in Deutschland“ – Seminar an der Universität Potsdam
- Juni/Juli 2024 – „Aufbruch, Abbruch, Umbruch – Perspektiven auf `89 und danach“ – Blockseminar, Studierende auf Lehramt, Universität Potsdam, Didaktik der Geschichte
- 10.Oktober 2024 – Warum heute noch Aufarbeitung von DDR-Geschichte? -Vortrag in der Veranstaltungsreihe der BTU Cottbus „Warum heute noch DDR-Geschichte“, Spremberg
- Herbst 2024 – 35 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall – Aufbrüche, Hoffnungen und Enttäuschungen“ – Gesprächsabende in verschiedenen Orten des Landes Brandenburg
- 07. November 2024 – 35 Jahre Friedliche Revolution und Mauerfall – Aufbrüche, Hoffnungen und Enttäuschungen“ – Gesprächsabend in Königs Wusterhausen, in Kooperation mit der Stadtbibliothek Königs Wusterhausen und den KW-Detektiven
- Herbst 2024 – Schulprojekt zur Gestaltung des Gedenkens am 9. November am Mauer-Gedenkort Griebnitzsee – mit der Katholischen Marienschule Potsdam-Babelsberg und dem Dreilinden-Gymnasium Berlin- Zehlendorf
Ansprechpartnerin
Referentin für politisch-historische Bildung
Stellvertretung der Aufarbeitungsbeauftragten
Telefon: 0331 23 72 92 – 23
Telefax: 0331 23 72 92 – 29